Dschibuti

 

 

 

Als Kind habe ich auf meine häufig wiederholte Frage an meinen Stiefvater, wo er denn nun wieder hingehe, immer die Antwort bekommen, er gehe jetzt nach Dschibuti. Später habe ich dann herausgefunden, dass dieser Ort wirklich existiert. Und noch viel später habe ich beschlossen, diesem Ort einmal einen Besuch abzustatten. Aber nicht, um den Aufenthaltsort meines Stiefvaters ausfindig zu machen, sondern, um die von Jacques Cousteau in höchsten Tönen gelobten 7 Brüder zu betauchen und die Walhaie im Golf von Tadjourah zu besuchen.

 

Während der Nacht hatten wir die Seven Brothers erreicht, eine Inselgruppe mitten im"Tor der Tränen", dem Flaschenhals, der vom Indischen Ozean ins Rote Meer führt. Es sind im Übrigen nur sechs Inseln, die siebte "Insel" ist vermutlich eine nahe gelegene Erhebung des Festlandes, die vom Meer aus gesehen tatsächlich wie eine Insel aussieht. Wüsteninseln, manche ockergelb, einige schwarz und dunkel (so ungefähr stelle ich mir immer Mordor vor). Eine warme feuchte Brise weht über die Meerenge, wo der Indische Ozean unablässig versucht, ins Rote Meer vorzudringen und sich die Wassermassen vermischen. Mit einer Heftigkeit, die man kaum für möglich hält, versucht der Indische Ozean seine Wassermassen ins Rote Meer zu drücken, das sich mit einer ebensolchen Heftigkeit dagegen wehrt. Das Ergebnis sind starke Strömungen ("raging currents", "nothing for the faint hearted" las ich in einem Lonely Planet Artikel über die 7 Brüder zuvor, "it is a turbulent sea" konstatierte ein Fotografenehepaar auf seiner Homepage über das Gebiet, und ich kann das nur bestätigen). Gleich beim ersten Tauchgang werden wir vom Tauchplatz ins Blauwasser gespült und wir brechen diesen nach 10 Minuten ab. Beim zweiten Anlauf klappt es dann aber, wir finden den richtigen Einstiegspunkt und lassen uns vor den Riffen der größten Insel vorbeitreiben. Schwärme von Schnappern. Dicht an dicht. Große, über 1 Meter messende silbrig glänzende Makrelen ziehen an uns vorbei. Füsiliere ziehen in großen Schwärmen über riesige Tischkorallen hinweg. Der Hartkorallenbewuchs variiert von üppig bis zu grauen Geröllebenen am Grund, die an die gebleichten Trümmerfelder der Malediven erinnern. Selten habe ich so viel Fisch gesehen.

 

Japanese Garden und Chinese Garden bieten dagegen herrliche Riffe ohne Strömung dicht unter der Wasseroberfläche mit einem Getümmel von flatterhaften Wimpelfischen und tiefblauen arabischen Kaiserfischen und Korallengärten, die üppiger nicht sein könnten. Schulen von dutzenden Delfinen  im tiefen Blau (diese leben ständig zwischen den Inseln). Die Fahnenbarschschwärme des nördlichen Roten Meeres fehlen hingegen völlig. Bei Tolka Island gibt es eine große Höhle mit Haien und Rochen, von denen hinaus man in ein unirdisches Blau gelangt und von Fledermausfischen neugierig beäugt wird.

 

Am Abend blicke ich vom Boot in einen Sonnenuntergang, der das Meer wie eine Platte Kupfer aussehen lässt, eine rotgolden glänzende gekräuselte Oberfläche in einer warmen Abendbrise.

 

Nach 3 Tagen geht es weiter in das nächste Tauchgebiet von Dschibuti, den äußerst trüben Golf von Tadjourah mit seinen Walhaien. Interessanterweise sind es meist nur juvenile Männchen, die den Golf beim Filtern von Plankton abschwimmen. Die gepunkteten Riesen durchpflügen das warme Wasser und sind schneller als man es ihnen zutraut. Man kann kaum mit ihnen mithalten. Die meisten Tour Operator erlauben übrigens nur das Schnorcheln mit den grauen Riesen und so muss man seine Pressluftflasche an Bord zurücklassen. Während ich einem Walhai folge taucht plötzlich rechts von mir ein riesiges geöffnetes Maul auf. Nur um ein Haar können wir einen Zusammenprall verhindern und der gepunktete jugendliche Riese taucht unter mir durch. Auch zahlreiche Großmaulmakrelen filtern im grünen, warmen Wasser nach Plankton.

 

Als wir nach Dschibuti Stadt zurückkehren, im Übrigen eine der hässlichsten Städte, die ich je gesehen habe, denke ich bereits wehmütig an die Seven Brothers zurück und beschließe, dass Jacques Cousteau vermutlich nicht so Unrecht hatte, als er die Sieben Brüder in den höchsten Tönen anpries.

 

 

Jänner 2018

 

 

 

 

 

 

 

 

Druckversion | Sitemap
© Christine Rauter