Hallaniyat Islands

 

 

Nach meiner nächtlichen Ankunft am Boot erblicke ich am nächsten Morgen erstmals das hohe, schroffe, zerklüftete Wüstengebirge, dass das dunkle arabische Meer einrahmt. Die im Hafen gelegenen, im dunklen Wasser schwankenden hölzernen Dhows wecken Erinnerungen an die große Seefahrernation, die der Oman einst gewesen ist. Das Wasser blinkt dunkel, grün und bläulich schwarz, aber immer undurchdringlich und undurchsichtig und bildet eine Trennschicht, einen geschlossenen Vorhang, zu all dem überbordenden Leben, das sich darunter befindet.

 

Vor Mirbat finden wir bei den ersten Tauchgängen noch die abgestorbenen Reste der sommerlichen Kelpwälder, riesige Rotalgen liegen am Grund herum, zwischen denen Igelfische und Kofferfische umher schwirren. Zwei Mobulakinder schweben vorbei und verschwinden wieder in der trüben Suppe. Neben Muränen sichten wir zahlreiche knallbunte Schnecken, Sepien, Hummer und Bärenkrebse in der ziemlich nebelhaften, bräunlichen Szenerie.

 

Nach zwölf Stunden Überfahrt sind die Hallaniyat Islands erreicht, karge ockerfarbene Bastionen mitten im Meer, die größte Insel sogar zeitweilig bewohnt. Ockerfarbige, abgeschliffene Felsen wechseln einander mit groben schwarzen Felsformationen und puderfeinen weißen Sandstränden ab. Unter Wasser finden wir Muränen, Muränen, Muränen – aus jeder Spalte lachen einem die wurstförmigen Persönchen entgegen, braun, gefleckt, gepunktet, mit Netzmuster. Große Fischschwärme ziehen in einem stetigen Strom im sogenannten Omani Blue (= flaschengrün) an uns vorüber. Auch als wir die City of Winchester, ein gewaltig großes Wrack aus dem 1. Weltkrieg betauchen, erwarte ich die gewohnte trübe Suppe. Die Meeresgötter scheinen uns jedoch gesonnen zu sein – es offenbaren sich unglaubliche Sichtweiten im klarsten, durchscheinendsten Blau. Eine große Gruppe Fledermausfische umschwärmt uns bereits knapp unter der Wasseroberfläche. Unten kreisen hunderte Makrelen, dutzende Rochen liegen am Sand und auch am Wrack, das unter einem dicken Teppich von Glasfischen verborgen liegt. Eine Muräne lugt aus einem Schornstein. Igelfische und Feuerfische ruhen in weißen Weichkorallenbüschen. Ohne jeden Zweifel der schönste Tauchgang der Woche. Einer unserer Mittaucher ist jedoch etwas enttäuscht, er hatte das Gebiet schon vor mehr als zehn Jahren betaucht und damals hier große Hammerhaischulen vorgefunden. Haie sind heutzutage im Oman fast nur mehr am Fischmarkt vorzufinden, ich sichte während der gesamten Woche kein einziges Exemplar.

 

Die Heimfahrt bringt dafür eine große Gruppe Pottwale, die nur einige Meter vor dem Boot vor sich hinfauchen. Auch links und rechts vom Boots sehe ich in einiger Entfernung dutzende Fontänen aus dem Wasser sprühen, alleine die Gruppe vor dem Boot besteht aus fast fünfzehn Tieren. Ich habe Tränen in den Augen und wünsche den großen grauen Gesellen eine gute Reise.

 

 

 

Dezember 2022

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© Christine Rauter