Lahami Bay

 

 

Die Lahami Bay liegt braun-golden glänzend und einsam im tiefen Süden Ägyptens. Ein breiter ockerfarbener Streifen weichen Sands durchsetzt von Mangrovenwäldern und hügeligen Büschen säumt das tiefblaue Meer ein. Silberreiher und Graureiher waten im seichen Wasser über welligen sandigen Grund während gelegentlich ein Fischadler über den Ufersaum hinwegzieht. Im Abendlicht sausen dutzende geschäftige Rotmeer-Reiterkrabben über den Strand und stopfen sich die kleinen Mäuler voll.

Nachdem mich der Guide beim ersten Tauchgang mit dem Hausriff vertraut gemacht hat, starte ich beim zweiten Tauchgang solo los. Ziemlich am Anfang eines der Hausriffe, dem sogenannten Banana Reef, finde ich eine Gruppe von Fledermausfischen, von denen sich ein junges Exemplar aus der Gruppe löst und begeistert auf mich zuflattert. Das kleine Wesen inspiziert sofort meine Maske, den Atemregler und meine Haare. Alles nicht essbar. Trotzdem bleibt der Kleine auf Tuchfühlungsdistanz während die Alten das Treiben teilnahmslos beobachten. Ich fotografiere und fotografiere meinen kleinen Liebling von allen Seiten. Als ich plötzlich nur mehr aufgewühlten Sand vor der Linse habe, drehe ich mich verärgert um. Übt hier etwa ein Tauchschüler seine Skills (ich hatte zuvor einen jungen Mann samt Tauchlehrer gesehen, die ebenfalls in Richtung Strand marschierten)? Nein. Ich blicke auf ein großes graues Wesen mit schwarzen Äuglein. Eine Seekuh hatte sich klammheimlich von hinten angenähert, stöbert einen halben Meter neben mir im Sand und glotzt mich treuherzig an. Ich bin so verdutzt, dass ich erst, als die Seekuh nach einer Weile abdreht und in Richtung eines Fleckriffs weiterschwimmt, daran denke, dass ich auch ein paar Fotos machen könnte. Entzückt betrachte ich die Härchen am Rücken der grauen, behäbigen Dame, die mir dann sogar noch ein paar große elegante Rollen vorführt. Ich schwimme weiter das Banana Riff entlang, das von zahlreichen Anemonenfischen, Fledermausfischen, Zitronenmakrelen, vielen Falterfischen, Doktorfischen, Blaupunktstechrochen, Napoleons, Schildkröten und Schwarzspitzenriffhaien bevölkert wird. Am Ende des Tauchgangs, der über eine kleine Fläche Seegras zu einer Boje führt, kreuzt noch ein Geigenrochen und Leopardstechrochen meinen Weg. Zumal das Hausriff des Resorts viel zu groß ist, um es abzuschwimmen, wurde ein Bootsshuttleservice zu den weiter entfernt gelegenen Teilen eingerichtet, den sogenannten Bojen 1-6, die jeweils einen eigenen Tauchplatz darstellen. Das Hausriff wird auch vom etwas weiter nördlich gelegenen Tauchercamp als Bootsausflug angefahren, was meinen emotionalen Besitzansprüchen etwas zuwiderläuft. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass bei Seegang die Sicht am Beach Entry schlichtweg miserabel sein kann, diesfalls empfiehlt sich dann das Hausriffboot.

Die von der Basis durchgeführten Bootstouren führen uns an die vor der Lahami Bay gelegenen Fury Shoals, wobei mir Shaab Maksur, Shaab Claudio, Malahi und Sataya am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben sind (lediglich an Shaab Claudio konnte ich mich von meinem letzten Aufenthalt her erinnern). Bei Malahi taucht man durch Korallentürme von unglaublicher Größe, wie eine Festung mit gewaltig großen Säulenhallen, engen Gängen, Türmen, Toren, mächtigen Mauern und Durchlässen. Kein Stäubchen trübt die fast gläserne und durchscheinende Sicht, sodass man ein fast unwirkliches Gefühl bekommt, wenn man die mächtigen Strukturen umschwimmt. Ein ähnliches Gefühl beschleicht mich immer bei Shaab Claudio, wenn man die dämmrig-blauen Kavernen durchtaucht. Ich könnte ganze Tage in diesem Höhlensystem verbringen. Am Ende eines Tunnels kreisen zwei junge Weißspitzenriffhaie scheinbar in einer Endlosschleife. Bei Shaab Maksur wuchern üppige Weichkorallengärten mit unzähligen Fahnenbarschen dem Licht entgegen, während gelegentlich ein Napoleon oder ein Barrakuda vorbeizieht. Und nicht zu vergessen Sataya, wo wir zwischen den Tauchgängen an einem herrlichen Drop Off kurz mit Delfinen schnorcheln. Hier falle ich auch einer wissbegierigen Karettschildkröte zum Opfer, die mich an Armen, Beinen und Bauch anknabbert, nachdem ich just an dem Tag beschlossen hatte, wieder einmal ohne Anzug zu tauchen und sie während meines Fototermins mit einer Muräne eilig auf das weiße, käsige, wabernde Taucherlein zupaddelt, um es eingehend mit ihrem Schnabel zu untersuchen.

 

Nachdem die Wellen ein paar Tage keine Bootstauchgänge zulassen, vergnüge ich mich dazwischen wieder am Hausriff. Zumal die Hausrifftauchgänge vom Beach Entry aus eine schwindelerregende Tiefe von maximal 12 Metern aufweisen, erkläre ich dem Basisleiter, dass der (für Solotaucher rein theoretisch erforderliche) Ponytank keine Lust mehr hat, mit zu kommen, was der Basisleiter aber nicht gelten lässt. Als bezahlter Angestellter der Basis sei auf die Befindlichkeiten des Ponytanks keine Rücksicht zu nehmen, meint er. Da hilft alles Raunzen nichts (und darin sind wir Österreicher angeblich gar nicht so schlecht), der Ponytank muss mittauchen. Im Nachhinein betrachtet halte ich es aber nicht für völlig ausgeschlossen, dass ich den Ponytank aufgrund seiner geringen Größe ein oder zwei Mal übersehen und am Strand vergessen habe.

Auch in der Lahami Bay bin ich lange nicht mehr gewesen. Zu lange nicht, denke ich, während ich im Flugzeug nach Hause in Gedanken noch einmal die blauschimmernden, dämmrigen Gänge von Shaab Claudio durchschwimme.

 

Oktober 2020

 

 

 

 

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© Christine Rauter