Malediven/Zentralatolle

 

 

Beim Anflug auf Male blicke ich auf die Inselchen im unendlichen Blau des Indischen Ozeans, umringt von türkis schimmernden Lagunen, manche wiederum eingefasst von einem schmalen, weißen Wellenkranz. Ein vertrauter und doch irgendwie fremder Anblick. Viele der Inseln sind mittlerweile grauenhaft dicht bebaut – die Anzahl der Wasserbungalows, die sich wie Fangarme eines Ungetüms ins Meer ziehen, ist erschreckend.

Nach der Ankunft am Boot schüttet es als gäbe es kein Morgen, schwerer grauer Regen prasselt auf das Boot und hämmert vehement gegen Scheiben und Türen. Der nächste Tag bringt Besserung, danach fast täglich strahlender Sonnenschein. Bereits am Ankunftstag absolvieren wir den Checktauchgang, bei dem wir graue Riffhaie, Weißspitzenriffhaie, Riesenmuränen, einen Adlerrochen, Schwärme von Gelbrücken-Füsilieren sichten und natürlich auch die altbekannten Bubble-Junkies, die Doktorfische, die sich über unseren Köpfen tummeln und ihren kleinen Whirlpool genießen. Nach einem Tag im Südmale Atoll geht es in Richtung Vaavu Atoll für einen außergewöhnlichen Nachttauchgang. Alimata Circus. Unmittelbar nach dem Abtauchen werden wir in der Dämmerung von dunklen, schlanken Silhouetten im Dutzend umringt. Ammenhaie, wie viele kann ich nicht sagen, unglaublich viele.  Laut Auskunft des Guides wurden selten so viele Tiere gesehen, wir sind an dem Tag (wie auch fast während der gesamten Tour) das einzige Boot am Platz. Dazwischen sausen Stachelrochen umher und erkunden die Taucher. Viele der Ammenhaie haben sich am Boden niedergelassen und lassen sich aus 10 Zentimeter Entfernung ablichten. Ein Rochen streicht lässig über meinen Oberschenkel und taxiert mich mit einem koboldhaften Blick (der immer irgendwie etwas Schelmisches an sich hat, wie ich finde). Völlig planlos inmitten dieses Getümmels drücke ich im Sekundentakt auf den Auslöser meiner Kamera (der ganze erst kürzlich absolvierte Fotokurs wieder für nichts, aber ich gelobe Besserung).

Im Laufe der Woche tauchen wir durch viele Kanäle, obwohl die Strömung moderat ist, muss ich mich am Anfang erst wieder ein bisschen an „Go with the Flow“ gewöhnen. Während wir uns etwa durch Miyaru Kandu treiben lassen ziehen graue Riffhaie, Weißspitzenriffhaie und ein großer Makrelenschwarm an uns vorbei. Und bei Maalhos Thila stellt man fest: Es gibt sie noch, die wundervollen Weichkorallengärten der Malediven: Lila-bläulich wuchern sie über die Felsen, dazwischen schwimmen Falterfische, Kugelfische, Doktorfische und Kaiserfische, gelegentlich leuchtet ein Plattwurm aus einem bunten Korallenbusch. Bei Kuda Rah Thila umfließen große Schulen von Blaustreifenschnappern und Buckelschnappern die Taucher, die dahinter stehenden Fächergorgonien sind kaum zu sehen – wie eine schrille Fantasie aus meinem Kopf voll von bunten Farben und Fabelwesen.

Beim Tauchplatz Fishhead im Ari Atoll ziehen rötlich-blaue Neon Füsiliere einen bunten Bogen über grasende Schildkröten, Riesenmuränen strecken einem die Köpfe durch Wolken von orangen Fahnenbarschen entgegen.

Wir besuchen auch die Mantaputzstation bei Moofushi Corner, an der sich neben Mantas, wie fast überall auch Adlerrochen und Riffhaie tummeln, und freuen uns bei einem Nachttauchgang über die sanften Riesen, die, vom Licht angelockt, über unsere Köpfe streichen. Mit den Mantas geht es mir aber immer ein bisschen wie mit den Nemos – alle finden sie so toll, sodass sie mich ein wenig irritieren und nachdem ich es 15 Minuten lang genieße, wenn die weiß-grauen fliegenden Teppiche über mich hinwegstreichen, wird mir irgendwie langweilig und ich beginne den Boden nach Kleinlebewesen abzusuchen. Auch einen Walhai bekommen wir bei einem Tauchgang zu Gesicht, dies ist aber in der Regel eine relativ kurze Begegnung, die Tiere sind ja relativ schnell, obwohl sie überhaupt nicht diesen Eindruck vermitteln.

Der letzte Tauchgang ist Fish Tank im Nordmale Atoll. An einer Fischfabrik hat sich eine Unzahl von Muränen niedergelassen, aus jeder Spalte lugen dutzende Köpfe: Kleine, große, braune, gefleckte, gesprenkelte. Daneben gibt es gepunktete Schlangenaale - aus einem Loch spähen fünf Köpfchen der zierlichen, gepunkteten Gestalten. Darum herum flattern dutzende Rochen in der (an diesem Tag leider etwas stärkeren) Strömung. Die Sonne geht unter, die letzten Strahlen brechen durch das schon etwas dunklere Wasser. Aus einer Spalte fauchen mir gezählte sieben (!) Riesen- und Netzmuränen entgegen, alle von beachtlicher Größe.  Riesenmuränen, Netzmuränen, Russkopfmuränen, Marmorierte Muränen, Gelbkopfmuränen, mir wird ganz schummrig, ich liebe die grimmig dreinblickenden, aber freundlichen Wesen.  Was für ein Abschlusstauchgang!

Für mich selbst kann ich bezüglich der Malediven nur festhalten: Alte Liebe rostet nicht…

 

August 2020/ Fotos zum Teil auch von Februar 2021

 

 

 

 

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© Christine Rauter