Lembeh Strait

 

 

Der winzige Krake spaziert hoch aufgerichtet auf seinen kleinen Beinchen dahin und lässt drohend seine leuchtend blauen Ringe aufblitzen. Ich habe keine Ahnung, wie die Guides die kleinen Kerlchen finden, aber sie finden sie. Garantiert. „What do you want to see?“, werde ich gleich am Beginn meines Aufenthaltes gefragt. Und jeder einzelne Wunsch wurde erfüllt, vom Hairy Frogfish über Wunderpus und Mimic Octopus bis zum Rhinopias. Ich will „Shawn the Sheep“ sehen, ich bekomme „Shawn the Sheep“. Es ist, als ob ich meinen eigenen Flaschengeist hätte, der mir jeden Wunsch von den Augen abliest.

 

Mein allererster Wunsch, der Hairy Frogfish, liegt gemächlich auf ca. 20 Metern Tiefe, ein besonders „buschiges“ Exemplar, bei dem man unwillkürlich denkt, dass er einen Kamm gut gebrauchen könnte. Weiter geht die Suche. Rhinopias lautet nun die Devise. Zuerst entdecken wir ein ansehnliches rot-braunes Exemplar. Beim Weiterschwimmen erblicke ich ein paar Meter darunter ein leuchtend rotes Exemplar – eine Färbung so satt, so rein und so herrlich, dass ich das prunkvolle Kerlchen ewig betrachten könnte (wären wir nicht auf 32 Metern Tiefe). Wunderpus und Mimic Octopus kreuzen gleich mehrmals unseren Weg. Mir kommt die Songzeile „ I am in love with an alien“ in den Sinn, ich fühle mich wie im Kuriositätenkabinett.

 

Die langen, oft verregneten Abende vergehen wie im Flug beim Bestimmen der gesichteten Tiere. Meine Kamera verweigert aber die Aufnahme der Allerkleinsten: Der Lembeh Sea Dragon (der wirkt wie ein winziges Schnürchen mit einer Verdickung am Ende) und das Pontohi Seepferdchen bleiben lediglich in meiner Erinnerung abgespeichert, ein Foto war mir schlichtweg unmöglich.

 

Worüber jeder Bescheid weiß, was es aber nicht weniger störend macht, ist der unglaubliche Müll in der Lembeh Strait. An den am Meeresboden liegenden Plunder habe ich mich rasch gewöhnt, als jedoch bei einem Tauchgang zig Plastiktüten in Schwarmformation an mir vorübergleiten, ist es um meine Fassung geschehen. Ich weine bittere Tränen und bange um die Heimat meiner kleinen Aliens.

 

März 2023

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© Christine Rauter