La Graciosa

 

 

Die kleine Vulkaninsel La Graciosa liegt nördlich von Lanzarote in den tiefblauen Wellen des Atlantischen Ozeans vor der Kulisse von Lanzarotes schroffen, schwarz glänzenden Famara Gebirge. Hinter dem Hafenbecken liegen zwischen einzelnen Dattelpalmen wie hingewürfelt die kleinen weißen Häuschen von Caleta del Sebo im feinen gelben Sand. Ein weicher warmer Wind treibt durch die Gässchen, in denen es keine asphaltierten Straßen gibt. Einige Kakteen und Dattelpalmen säumen die Straße entlang der weißgetünchten Häuser mit den meist blauen Fensterläden. So stelle ich mir immer das Ende des Westens vor.

 

Unter Wasser beeindruckt eine bizarre, rauhe, dunkle, vulkanische Unterwasserlandschaft mit oft zerrissenen Felsbrocken und Überhängen im tiefen Blau des Atlantiks. In den Überhängen hocken Bärenkrebse, dösen Rochen und lugen Muränen aus Spalten hervor. Beim Tauchplatz Roncadores umkreisen einen zwei gewaltige Schwärme von Bastard Grunzern und Marmor Brassen. Eine riesige silbrig glänzende Masse an Fischleibern bewegt sich gerade um ein paar Zentimeter, um einen passieren zu lassen und schließt unmittelbar darauf die Lücke wieder. Ein Adlerrochen zieht in einiger Entfernung über den Sand. Ein paar Brassen nähern sich und blicken einem neugierig in die Augen, während winzige Spitzkopfkugelfische knapp über dem Grund herumschwirren. Braune Zackenbarsche verstecken sich in Spalten und flüchten bei jeglicher Annäherung. Beim Tauchplatz Bajo de las Gerardias zeigen sich die braunen Gesellen dafür wenig scheu, ein Exemplar bemerke ich erst als ich fast schon draufsitze. Eine schroffe Felswand mit wunderschönen Korallen bewachsen fällt hier relativ abrupt in die Tiefe, diese Korallenwand wird von hunderten silbernen Fischchen überzogen, oben thront eine ganze Gruppe von Braunen Zackenbarschen (laut Tauchbasis wurden hier an manchen Tauchgängen sogar 60 Stück gezählt). In ca. 40 Meter Tiefe sprießt eine riesige, verästelte rote Koralle aus der Wand.

 

An einem anderen Tauchplatz verbirgt sich ein Engelhai (erfolglos) im Sand, zahlreiche Marmorzitterrochen liegen wie kleine verstreute Palatschinken am Grund herum.

 

Denke ich an die Tauchgänge zurück, so drängt sich mir immer ein nicht näher definierbarer Eindruck von schwarzem Gestein, tiefem Blau und silber glänzenden Fischleibern auf – der wilde Westen Europas, sowohl unter wie auch über Wasser.

 

 

September 2022

 

 

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© Christine Rauter