Murter

 

 

Nach fünf langen Monaten und zwei abgesagten Reisen endlich wieder das Meer! Blaues Meer unten, blauer Himmel oben – ein blauer Raum in verschiedenen Schattierungen, oben heller, unten dunkler, in der Mitte durchsetzt von runden, grünen Inselchen. Dörfer mit spitzen Kirchtürmen säumen die karstige, pinienbestandene Küste Dalmatiens. Ich passiere die kurze Brücke bei Tisno und bin schließlich in Murter angelangt.

Ginster und Salbei blüht entlang der Küstenwanderwege auf Murter, der Geruch nach Pinien und Gegrilltem liegt in der Luft während ich im Zuge einer Wanderung entlang der felsigen Küste, durchbrochen von hellen Kiesbuchten die ruhigen dunkelblauen Gewässer der Adria betrachte. Ein paar nackte gebräunte Damenhintern, die sich am Kiesstrand sonnen, erinnern mich daran, dass FKK in Kroatien wirklich populär ist. Am Rückweg stehen zahlreiche Olivenbäume inmitten blühenden Salbeis Spalier, in dessen lilafarbenen Blüten sich zahlreiche Hummeln tummeln. Morgen tauche ich endlich wieder unter!

Die Tauchplätze lassen sich meines Erachtens alle entweder in die Kategorie "Flachwasser", „gelb“ oder „violett“ einteilen. Balun ist beispielsweise violett (und wie!), Kaprije und Kamenar gelb. Das Wrack Francesca Di Rimini glüht geradezu in gelber Schönheit am Meeresgrund der tiefblauen Adria, bewachsenen mit grellgelben Schwämmen zwischen denen sich Brassen, Drachenköpfe und Langusten tummeln. Farben, so grell, dass sie fast im Auge schmerzen. Ein roter Drachenkopf ruht auf den violetten Ästen einer roten Gorgonie. Meine Kategorisierung stimmt im Übrigen nicht ganz, denn bei Plic Grmeni gibt es ganze Felder von wechselfarbigen Gorgonien, zweifärbig, gelb und rötlich-violett. Etwas rechts davon die Überreste eines unbekannten Wracks, diese wieder mit gelben Schwämmen bewachsen. Etwas weiter soll es noch drei Anker aus verschiedenen Epochen geben, bei über 50 Metern Tauchtiefe mangelte es aber dann an der Zeit, diese auch noch zu besichtigen. Zu unseren Tauchgängen auf die von vielen Organisationen verpönte Tiefe angesprochen, lieferte der Tauchlehrer dann auch noch grinsend die passende theoretische Erklärung: „No deco, of course, we are just doing extended safety stops.“

Im algenbewachsenen Flachwasser treffe ich dann noch eine riesige Oktopusdame, die, selbstbewusst, ohne sich unter Felsen zu verstecken, einige Minuten um mich herumturnt und selbst mit Weitwinkelobjektiv fotografiert noch eine imposante Figur macht.

Oktopusse, Fadenschnecken, Leopardenschnecken, Sepien, Seesterne, Zackenbarsche, Röhrenwürmer, Brassen, Langusten und Drachenköpfe begleiten fast alle unsere Tauchgänge im wundervollen Blau der Adria.

Nur Seepferdchen sehe ich während der gesamten Woche keine, die kleinen Biester scheinen mir diesmal konsequent aus dem Weg zu gehen.

Am Ende der Woche wundere ich mich wieder einmal, wie ich zu Beginn meiner Taucherkarriere so viele Jahre auf das Mittelmeer verzichten konnte, das – sofern man eine gewisse Tauchtiefe nicht scheut – mit einer Farbenpracht aufwartet, die selbst viele tropische Tauchplätze in den Schatten stellt.

 

 

Juni 2020

 

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© Christine Rauter