Bereits beim Anlegen am Steg von Rannalhi, einer kleinen, dicht bewachsenen Insel im Süd Male, Atoll leuchtet einem in der dampfenden Hitze des kleinen Inselstaates mitten im Indischen Ozean strahlendes, scheinbar von innen heraus leuchtendes Türkis vor blendend weißem Strand entgegen, sodass es mir kurzfristig den Atem verschlägt, egal wie oft zuvor man schon auf den Malediven gewesen ist.
Am Abend legt sich in der untergehenden Sonne ein roter Schein über die türkise Lagune, während einem ein lauer Wind um die Beine streicht, der die Hitze des Tages vergessen lässt und die Flughunde in der beginnenden Dämmerung über die Wipfel der Palmen streichen.
Bereits der erste Tauchgang bei Cocoa Corner bei durchaus kräftiger, einlaufender Strömung offenbart alles, wofür man die Malediven liebt: Ein Weißspitzenriffhai steht in der Strömung während ich in einem Meter Entfernung vorbeidrifte, zwei Adlerrochen schweben im eleganten Gleitflug vorüber, Netzmuränen und Riesenmuränen beobachten die vorbeifliegenden Taucher, ein Schwarzfleckenstechrochen verharrt unter einem Überhang während ein Napoleon gemächlich die Richtung wechselt.
Das Süd Male Atoll überrascht mich aber auch mit Unerwartetem: Ein Thila von oben bis in die Tiefe mit geradezu herrlichem Hartkorallenbewuchs. Tischkorallen und Geweihkorallen stapeln sich übereinander soweit das Auge reicht, darüber wuseln tausende Chromis und pulsieren und blinken im Sonnenlicht. Ein Oktopus, dem die Neoprenwesen offenbar nicht geheuer sind, flüchtet rasch unter einen der großen Schirme der Korallen. Die fast geometrische Anordnung der Korallen erinnert mich an einen japanischen Garten. Der Tauchbasenbetreiber erklärt, dass dieses Riff noch vor zwei Jahren keinen Tauchgang wert gewesen wäre, nunmehr ist es wohl einer der spektakulärsten Korallentauchplätze im Süd Male Atoll. Nicht ein einziger abgestorbener Ast, nicht ein freier Zentimeter, nur sich übereinander türmende Korallen, ein riesiger Schirm neben dem anderen den ganzen Abhang bis zum Grund hinab säumen unseren Weg während unseres Tauchgangs.
Zwei Mal betauchen wir Kandooma Thila ohne jegliche Strömung, was das Fotografieren enorm erleichtert. Jedes Mal begleiten uns Adlerrochen im Dutzend, graue Riffhaie, Schildkröten, große Makrelenschwärme, Schnapperschulen, dutzende Doktorfische. Schulen von Orient Süßlippen ruhen in der Nähe von Überhängen, große Schwarzsattelforellenbarsche stehen bewegungslos über dem Grund. Fledermausfische beäugen die Taucher. Man weiß kaum, wohin man den Blick zuerst wenden soll. Diesmal verstehe ich, warum der Tauchplatz oft so hochgelobt wird (bei der letzten Tauchsafari hatte ich hier außer grauen Riffhaien nicht so viel gesehen).
Fast jeder Tauchplatz begeistert: Kani Corner, Rannalhi Kuda Giri, Vaageli Bodu Thila, Vaageli Kandu, Ran Thila, ich kann mich kaum an alle Namen erinnern.
Jeden Abend beobachte ich vom Steg unseres Wasserbungalows wie sich die Wolken orange und golden im Sonnenuntergang türmen, sich verformen, die gebildeten Figuren wieder zerfließen während die letzten Sonnenstrahlen alles in ein rotgoldenes Licht tauchen und die Hitze des Tages sich allmählich verflüchtigt. Ich blicke zur Nachbarinsel Fihalhohi, wo ich vor über zehn Jahren das Tauchen erlernt habe und hoffe, dass diese Ecke der Welt noch lange in ihrer uralten, kaum fassbaren Schönheit erhalten bleibt, wenngleich der Bauboom auf den Malediven erschreckende Ausmaße angenommen hat und wie ein Monster jedes schöne Fleckchen aufzufressen droht und etwa nur 30 Bootsminuten entfernt riesige Sandbänke aufgeschüttet wurden, um neuen Bauwerken Grund zu bieten.
April 2021